Stellungnahme der BHV gegenüber der Bremer Landespolitik zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des neuartigen COVID-19 Virus

Nach einer Blitzumfrage, welche die Bremische Hafenvertretung e.V. in der letzten Woche bei Ihren rund  250  Mitgliedsunternehmen durchgeführt hat, spüren viele Unternehmen bereits jetzt erste Auswirkungen auf ihr tägliches Geschäft und rechnen in den nächsten Wochen und Monaten mit messbaren Umsatzeinbußen. 

Durch den Ausbruch des neuartigen COVID-19 Virus in China und die daraufhin durch die chinesischen  Behörden eingesetzten rigorosen Eindämmungsmaßnahmen, wie das Verlängern der Ferien zum  chinesischen Neujahr um weitere 14 Tage, das Abriegeln von ganzen Provinzen und Städten, die  vorübergehende Schließung von Häfen, sowie vielen weiteren Maßnahmen zur Vermeidung einer Verbreitung  des Virus, sind die geplanten Produktionsmengen aus allen Industriebereichen in ganz China, teilweise abrupt erheblich zurückgegangen oder vollständig ausgesetzt worden. 

Durch die weltweite Ausbreitung des Virus und die in Teilen sehr unterschiedlichen Maßnahmen, welche  durch betroffenen Staatsregierungen und deren Behörden getroffen werden, ist ein schnelles Umschwenken  auf andere internationale Lieferquellen zur kurzfristigen Kompensation der Bedarfe in Europa und  Deutschland unrealistisch. Eine kurzfristige Kompensation der Bedarfe in Europa ist wegen fehlender Infrastrukturen und unzureichender Logistikhubs und Logistikkapazitäten in den möglichen Lieferländern schlicht nicht umsetzbar. 

Ein Wiederanlaufen der Produktionen in China ist derzeit nach Ansicht unserer Mitglieder noch nicht sicht- oder spürbar oder durch Zahlen belegbar. Es wird derzeit davon ausgegangen, dass dies erst Ende des zweiten Quartals 2020 wieder messbar ansteigen wird. Bis dahin können die Ausfälle noch weiter sinken. 

Sobald die Produktionen und Exporte in China wieder aufgenommen werden, werden diese auch nicht innerhalb eines kurzen Zeitraums wieder in die „normalen“ Größenordnungen zurückkommen.

Es werden erst bestehende Auftragsvolumen abgearbeitet, aber die weiter bestehende und kumulierende weltweite Nachfrage wird erst sehr sukzessive über einen noch nicht abzuschätzenden Zeitraum abgearbeitet werden können. Selbst wenn die Produktionsprozesse kurzfristig auf über 90% gesteigert werden könnten, sind die internationalen Logistikkapazitäten nicht in der Lage diese Steigerungen abzufangen. 

Die Hafen-, Transport und Logistikwirtschaft in Bremerhaven und Bremen, ist sehr stark von stabilen internationalen Logistikketten und funktionierenden Logistikabläufen abhängig. 

Für März und April 2020 sehen Umschlagsunternehmen und Terminalbetreiber Fern-Ost / Nordeuropa Verkehr Reduzierungen von 20 – 30% in den Umschlagszahlen und dem eingesetzten Schiffsraum. Inwieweit sich diese Reduzierungen noch weiter negativ verändern ist im Moment völlig ungewiss. 

Durch diese Reduzierung von Schiffsraum werden nicht nur weniger Waren nach Deutschland per Container importiert, auch ist die Verfügbarkeit von Leercontainern in Europa auf ein bedenkliches Maß zurückgegangen. Normale Durchlauf-Container aber auch Containerneubauten, die zu einem sehr großen Teil ebenfalls in China gefertigt werden, werden ebenfalls nicht dem europäischen Transportmarkt zugeführt. Nach erhaltenden Informationen eines Terminalbetreibers aus Bremerhaven, erwartet man in den nächsten Tagen auch Schiffe die lediglich Leercontainer aus Fern-Ost und anderen Destinationen in die europäischen Häfen bringen, um mögliche Exporte aus Europa durch einen Mangel an Container nicht zu gefährden. 

Neben den hier beschriebenen Auswirkungen auf den Import und Export von containerisierten Produkten sind auch alle anderen Schifffahrtsbereiche, wie der konventionellen und der Ro/Ro Schifffahrt erheblich betroffen.  Dies betrifft Stahl- oder andere Rohstoffimporte aus Fernost genauso wie die stark von funktionierenden Logistikketten abhängige Automobilwirtschaft mit Ihren Ro/Ro Verschiffungen und Car-Carriern. 

Durch die beschriebenen Verwerfungen in den internationalen Warenströmen wird es negative Auswirkungen auf sämtliche Umschlag- und Lagerunternehmen, Speditionen, Fuhrunternehmen, Befrachtungsagenturen, Reedereien und die vielen Hafen- und Logistiknahen Dienstleistungsunternehmen wie z.B. Verpackungsbetriebe, Schlepperreedereien, Lotsen, Festmacher, Tally- und Besichtigungsunternehmen etc.  im Lande Bremen geben. 

Durch die messbare Reduzierung des reinen Transportvolumens im Jahr 2020 und der damit einhergehenden Reduzierung im Umschlags- und Lagergeschäft, sowie den unsicheren Aussichten, werden nach Ansicht  unserer Mitglieder die Investitionsabsichten nationaler und internationaler Investoren im Logistikbereich sicherlich zunächst zurückgestellt und erst zu einem späteren Zeitpunkt weiterverfolgt. 

Eine weitere Konsequenz wird die Unterbeschäftigung von Personal, sowie ein erheblicher Umsatzrückgang sein. Da zu erwarten ist, dass sich die Transportvolumen mittelfristig wieder erhöhen werden, ist das Freisetzen von hochqualifiziertem und gut ausgebildetem Personal nur eine letzte Möglichkeit die Kosten weiter zu reduzieren, welche unsere Mitglieder unbedingt vermeiden wollen aber nicht ausschließen. 

Neben den direkten Risiken für die Beschäftigten bauen sich Liquiditätsengpässe in den Unternehmen auf, die offensichtlich durch die normalen Bankbeziehungen nicht ohne weiteres mitgetragen werden können. Durchorganisierte Liquiditäts- und Umsatzplanungen sind bei einigen Unternehmen aufgrund der aktuellen Situation nicht mehr haltbar. 

Um diesen ungeplanten wirtschaftlichen Herausforderungen schnell entgegenzutreten sind die Unternehmen der bremischen Hafen- und Logistikbranche in den letzten Wochen sehr aktiv geworden. So werden neben Informationsveranstaltungen für die Beschäftigten, Prozesse verschlankt und Kosten weitestgehend reduziert. 

Es werden und müssen aber auch unliebsame Maßnahmen umgesetzt werden, wie beispielsweise sofortiger Abbau von Urlaubsansprüchen und Überstunden. Geplante Gehaltsanpassungen werden zurückgestellt und Neueinstellungen ausgesetzt. 

Trotz all dieser Maßnahmen ist die Bremer und Bremerhavener Hafen- und Logistikwirtschaft auf kurz- und mittelfristige Unterstützungsmaßnahmen der Bundes- und Landespolitik angewiesen, um die möglichen Risiken weiter zu reduzieren. 

Der Tagespresse kann entnommen werden, dass mögliche Steuerstundungen und Senkungen, Vereinfachungen in der Beantragung von Kurzarbeit, Unterstützungen zur Vermeidung von Liquiditätsengpässen und weitere Maßnahmen durch die Bundesregierung diskutiert und geplant werden. 

  • Hierzu erwarten wir von der Bremer Landesregierung, gerade für die vielen klein- und mittelständigen Mitgliedsunternehmen, kurzfristige und transparente Erklärungen, wie und ab wann diese Maßnahmen umgesetzt werden und wie genau diese verwaltungsreduzierten und einfachen Beantragungswege in Bremen geplant sind.
  • Weiter erwarten unsere Mitglieder eine transparente, offene und regelmäßige Informationspolitik an einer zentralen Stelle.
  • Ein wichtiger und für alle Unternehmen im Land Bremen entscheidender Punkt sind politische Entscheidung zur Eindämmung einer möglichen Verbreitung des COVID-19 Virus mit Augenmaß, also natürlich zum maximalen Schutz der Bevölkerung aber unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Auswirkungen.

Gerne können Sie die Bremische Hafenvertretung als Multiplikator für Informationen an unsere Mitglieder nutzen.

Mit freundlichen Grüßen 

Christoph Bruns  
(Geschäftsführer)